An “Herr Hitler, Berlin, Germany” war der Brief adressiert, der am 23. Juli 1939 von einem gewissen Mahatma Gandhi geschrieben wurde und der mit den Worten “Lieber Freund” begann und mit „Ihr ehrlicher Freund“ abschloss.
Kann man sich einen Briefwechsel zwischen weiter entgegengesetzten Polen menschlicher Gesinnung vorstellen?
“Lieber Freund.
Bekannte haben mich gedrängt, Sie im Namen der Menschlichkeit anzuschreiben. Lange bin ich dieser Bitte nicht nachgekommen, weil ich glaubte, ein Brief von mir könnte als anmaßend empfunden werden. Etwas rät mir, dass ich nicht länger abwägen sollte und dass ich meine Bitte äußern muss, was auch immer dies wert sei.”Offenbar sind Sie unter allen Menschen allein in der Lage, einen Krieg zu verhindern, der die Menschheit in den Zustand der Barbarei zurückwerfen würde. Müssen Sie unbedingt diesen Preis für Ihr Ziel bezahlen, und wenn es Ihnen noch so erstrebenswert erscheint? Wollen Sie nicht auf einen Menschen hören, der nicht ohne beachtlichen Erfolg die Methode des Krieges immer abgelehnt hat? Sollte ich mich in Ihnen getäuscht haben, bitte ich Sie um Verzeihung für dieses Schreiben.”
Ich verbleibe
Ihr ehrlicher Freund M.K. Gandhi”
Wenige Wochen später begann der Zweite Weltkrieg.
Als ich zufällig über diesen Brief stolperte, war ich überrascht von der Wortwahl Gandhis. Der Brief wirkte angesichts des Weltgeschehens in seiner freundlichen Verhaltenheit seltsam deplatziert. Ich recherchierte etwas und fand heraus, dass Gandhi im Winter selben Jahres, als Hitlers Armee eine Schlacht nach der anderen gewann, einen zweiten Brief verfasste, in dem er den Brüderlichen Geist des ersten Briefes erklärt:
“Mein Lieber Freund!
Dass ich Sie mit Freund anrede ist keine Förmlichkeit. Ich habe keine Feinde. Meine Lebensaufgabe bestand während 33 Jahren darin, um die Freundschaft der gesamten Menschheit zu werben und alle Menschen miteinander zu befreunden, ohne Unterschied der Rasse, der Farbe und des Glaubens.
Wir bezweifeln durchaus nicht Ihre Unerschrockenheit und Ihre Liebe zu Ihrem Vaterland. Auch glauben wir nicht, dass Sie das Ungeheuer sind, als das Ihre Gegner Sie hinstellen. Aber Ihre eigenen Schriften und Reden sowie diejenigen Ihrer Freunde und Bewunderer lassen keinen Zweifel darüber, dass viele Ihrer Handlungen widernatürlich sind und nicht der menschlichen Würde entsprechen. Besonders Menschen wie ich, die an eine allgemeine Verbrüderung der Menschheit glauben, denken so. […] Deshalb beschwöre ich sie im Namen der Menschlichkeit: „Halten Sie ein mit dem Krieg!“ Sie werden dadurch nichts aufgeben, wenn Sie alle Zwistigkeiten zwischen Ihnen und Großbritannien einem unter Ihrer Mitwirkung zusammengesetzten internationalen Gerichtshof vorlegen. Dadurch, dass Sie im Krieg Erfolge erzielen, haben Sie noch nicht bewiesen, dass Sie auch im Recht sind.”
Es ist schwer vorstellbar, dass ein Briefwechsel zwischen so unterschiedlichen Personen stattfinden sollte. Umso bemerkenswerter, dass Gandhi Hitler ganz selbstverständlich als Freund gegenübertritt. Es ist diese Philosophie, die sich Jahre später auf einem anderen Kontinent ein gewisser Martin Luther King zum Vorbild nehmen wird, um seinen Widerstand zu gestalten.
Wie Gandhis Brief bei Hitler ankam, ist nicht dokumentiert, Aber fest steht: Hitler bemühte sich nicht mal um eine Antwort.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Danke für Eure Poesie, die auf direktem Weg ohne Umweg über den Kopf die Herzen der Menschen berührt.
Ich muss das mal mitteilen. “Um zu schauen, ob unter diesen 3 Millionen jemand ist, der dich versteht.” [Bosse]
Vielleicht antwortet ja jemand. Gern auch auf französisch oder englisch.
Ein kleiner Aphorismus, vielleicht schon etwas verstaubt, den ich seit Jahren mit mir rumtrage, während um mich herum die Politiker und Demagogen weltweit Mauern und Zäune hochziehen im Schachern um Wählergunst und Lobbyzuspruch und die Ängstlichen und Dumpfen ihre Parolen nachpapageien:
(Meine Meinung über die rechten Feiglinge und Mutlosen:)
P.E.G.I.D.A. –
Peinliche Eingeborene Gegen den Interkulturellen Diskurs mit dem Anderen
Refugees welcome – Foreigners welcome – Any Religions welcome – Any colour of skin welcome – Old people welcome – Women welcome – Children welcome – LGBT welcome – Humans welcome!
Ich kriege diese Angst vor Freiheit, diesen Mangel an Neugierde auf andere Menschen und diesen Mangel an Geschichtsbewusstsein nicht in meinen Kopf.
Böse vereinfacht zusammengefasst:
In einem Land werden Menschen mit Unrecht oder Waffen aus einem anderen Land unterdrückt und gequält oder wirtschaftlich ausgebeutet, in einem anderen Land will man die Profite, Ressourcen und Rohstoffe,
aber die Menschen will man nicht, zu teilen ist zu unbequem, und man weist/speist sie mit Spenden und (zynischerweise leider bitter benötigten) Hilfsprojekten ab, anstatt den Menschen fair und auf Augenhöhe zu begegnen, dem Unrecht mit Courage entgegenzutreten.
So dachte und fühlte ich schon immer, die Aktualität von Hunger und Armut, Vertreibung, Unterdrückung, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit, Xeno- und Homophobie und Dummheit macht es aber verdammt konkret und schmerzhaft wie eine entzündete Wunde.
Das dämpfen auch keine Spenden an Hilfsorganisationen, die ich gerne gebe.
Wenn ich Bilder von geflohenen/schutzsuchenden Menschen sehe – refugees, seeking refuge, im deutschen “Flüchtling” schwingt Negatives wie in “Häftling” mit -, sehe ich Menschen, habe ich den Wunsch, ganz banal und konkret, sie zum Kochen und Essen einzuladen und bis in die Nacht zu reden, zuhören, lachen, weinen, Theater und Musik zu hören und zu diskutieren, kennenzulernen, zu lernen.
(Hatte ich schon immer. Endlich bietet meine familiäre Misere durch die neue Wohnstätte aber auch die Chance, genau diesen Schritt auch wortwörtlich zu gehen. Das wird dann im Kleinen großartig.)
Über mich:
Ich lebe von Geburt an im Ruhrgebiet, aber meine Wurzeln reichen über zwei Weltkriege vertrieben, von Königsberg, Ostpreußen bis Randstad Holland, Niederlanden. Typisch deutsch also.Mein Großvater väterlicherseits, der Liebe wegen nach Deutschland, ein Kriegsgefangener und Vaterlandsverräter, dann Kriegsheimkehrer, kam nicht mehr auf die Füße. Mein Vater durch eine Ironie des Schicksals 35 Jahre lang Staatenloser im eigenen Land. Bin stolz auf ihn, weil er sich aus dem Staub, mit Mut und harter Arbeit bescheidenen materiellen Wohlstand für sich und seine Familie erarbeitete. Mehr als ich je von mir selbst behaupten könnte.
Meine Großmutter mütterlicherseits, zwei Kriege überlebt, drei Jahre in russischer Gefangenschaft, zweimal verwitwet, die mit uns lebte, kochte und bügelte, und mit der ich unzählige Runden Brettspiele spielte und später stritt, wegen der ich heute noch kein altes Essen wegwerfen kann.
Ich kenne keine materielle existentielle Not, keine staatliche oder gesellschaftliche Unterdrückung.
Ich, glücklicher Vater von drei wunderbaren, einzigartigen Brüdern, aber unglücklich mit der falschen Frau. Zu verschieden, voneinander entfremdet, hauste ich unter ihr zwar nah bei meinen Kindern, doch wie ein Dissident in der Diktatur. Habe mich dem Seelenfrieden meiner Kinder zuliebe aus meinem Haus drängen lassen, um draußen mich und die Jungs wieder aufzurichten, mit ihnen gemeinsam frei, offen und voll Freude zu sein, wenn wir uns sehen.
Doch die wenigen Kilometer Distanz und Tage der Trennung sind schmerzlicher, als ich je befürchtete, sind erdrückend, und verlangen mir mehr Stärke und Zuversicht als alles andere bisher ab.
Ich schäme mich dafür, aber erst mein privates banales Problem als Vater lässt mich nachempfinden und doch nur im Ansatz erahnen, was ich zu wissen glaubte. Was Trennung von den geliebten Menschen und Entwurzelung für einen geflohenen/vertriebenen Menschen bedeutet. Und das ganz ohne Not, Folter und Furcht ums Leben, mitten im Wohlstandsland.
Flucht ist keine Migration zur Selbstverwirklichung (ok, letztendlich auch das), das macht kein Mensch freiwillig aus materiellen Motiven , sondern für Freiheit und Überleben.
Die UN-Definition umfasst zynischerweise nicht die Flüchtlinge, die vor Hunger, Armut oder Krankheit fliehen. Dann würden es wohl zu viele.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Mit freundlichem Gruß,
Nik