Biochemie und Glück
Sprechen Biowissenschaftler vom Glück, dann meinen sie bestimmte biochemische Prozesse. Sie betrachten das Glück nicht unbedingt als etwas Psychologisches. Eher leitet der Biowissenschaftler das Psychologische aus dem Biologischen ab.
Natürlich kann zum Beispiel das Bild meines geliebten Großvaters in mir Glück auslösen. Doch damit überhaupt etwas ausgelöst werden kann, braucht man die Hormone. Glück und Leid sind letztlich körperliche Empfindungen. Sie sind biochemisch gesteuert. So gesehen reagieren wir nicht auf Ereignisse der äußeren Welt, sondern nur auf unsere körperlichen Empfindungen. Hier ist es wichtig zwischen Ursache und Auslöser zu unterscheiden. Das Bild ist der Auslöser, nicht die Ursache.
Stellt euch vor, man feuert euch nach langjähriger Beschäftigung. Ihr verfallt in eine tiefe Depression. Der Biowissenschaftler würde behaupten, dass die Depression nicht aus eurer Arbeitslosigkeit resultiert. Sie erwächst eher aus euren unangenehmen körperlichen Empfindungen. Ihr würdet ihn wahrscheinlich fragend anschauen und ihm am liebsten eine runterhauen. Aber er würde selbstbewusst fortfahren und behaupten, dass die Depression als solche lediglich eine unangenehme körperliche Empfindung ist. Selbst nachdem ihr ihm wirklich eine runtergehauen habt, redet er von Hormonen.
Anders gesagt, ist die Ursache einer Depression nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Hormone.
Die Macht der Hormone
Verändern wir mal ein Detail unseres Beispiels. Sagen wir, ehe man euch feuert, hättet ihr euch eine Pille geschmissen. Die Pille versorgt euer Gehirn einige Stunden mit Glückshormonen.
Ihr geht also ins Büro eures Chefs, hört euch an, dass ihr zu nichts zu gebrauchen seid. Ab morgen will man euch nicht mehr in der Firma sehen. Als euer Chef fragt, warum ihr so dämlich grinst, überhört ihr die Frage. Denn er kann euch mal. Steht fröhlich auf und verabschiedet euch auf Nimmerwiedersehen.
Das äußere Ereignis war dasselbe, aber eure körperliche Empfindung eine ganz andere. Der Auslöser kann natürlich sozial oder psychologisch sein, aber im Grunde steht und fällt alles mit den Hormonen.
Das einzig blöde bei angenehmen Empfindungen ist, dass sie so schnell nachlassen. Egal, ob man eine Pille schmeißt, tolle Orgasmen hat oder das Siegestor bei der WM schießt. Nach einem kurzen Rausch pendelt sich die Biochemie wieder ein und die Euphorie ist verflogen. Um dieselben Sinnesempfindungen wieder zu spüren, braucht ihr den nächsten Kick. Und dieser Umstand hängt mit der Evolution zusammen.
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Solang du nach dem Glücke jagst,
Bist du nicht reif zum Glücklichsein,
Und wäre alles Liebste dein.
Solang du um Verlornes klagst
Und Ziele hast und rastlos bist,
Weißt du noch nicht, was Friede ist.
Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
Nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,
Dann reicht dir des Geschehens Flut
Nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.
(Hermann Hesse)
Häufig wissen wir, was uns gut tut, tun es aber nicht. Häufig wissen wir auch, was uns auf Dauer nicht gut tut, und tun es trotzdem.
Schöne Grüsse aus Osnabrück
Hey Rainer,
stimme dir total zu. Das Interessante daran ist, dass das Wissen überhaupt nicht ausreicht. Nur weil etwas wissen, heißt es nicht, dass wir danach handeln.