Ist der Weg das Ziel?
Seit Millionen Jahre hat sich unser biochemisches System auf Überleben und Reproduktion eingestellt. Erfüllen wir diese genetische Aufgabe, belohnt uns unser Gehirn. Aber aus guten Gründen hält die Belohnung nicht lange an.
Ratten, deren Gehirne mit Elektroden ausgestattet waren, ließ man in einem Experiment Erregung empfinden, wenn sie auf einen Hebel drücken. Man stellte Ratten vor die Wahl, sich zwischen einem wohlschmeckenden Futter oder dem Drücken des Hebels zu entscheiden. Durchgängig bevorzugten sie den Hebel. Blöderweise stillte der Hebel weder ihr Hunger, noch half er bei der Reproduktion. Die zwei lebenswichtige Dinge ihres genetischen Programms. Das Drücken gab den Ratten also lediglich dieselben Emotionen. Das ging so weit, dass die Ratten irgendwann vor Hunger kollabierten und fast gestorben wären.
Konzentriert man sich nur auf die angenehmen Gefühle, vergisst man, worauf es eigentlich ankommt. Deshalb hat die Evolution darauf verzichtet, zu leicht und ständig Glück zu empfinden.
Oft hört man, dass es beim Glück nicht auf das Ziel ankomme, sondern auf den Weg. Es gehe nicht darum, auf den Gipfel des Mount Everest zu gelangen. Auch nicht darum, bei einem Wettbewerb am Ende die Nummer eins zu sein. Sondern es komme darauf an, dass man es erlebt, dass man diesen Weg gegangen ist. Oder wie es in einem gängigen Sinnspruch heißt: „Der Weg ist das Ziel.“
Aber ändert sich dabei das Bild wirklich? Eher zeigt es doch, dass die Evolution uns mit einem breiten Spektrum an Freuden ausgestattet hat und wir manchmal nur eine eher nüchterne Empfindung des Glücks verspüren und manchmal elektrisierende Gefühle von Euphorie und Erregung haben. Das heißt, der biochemische Motor arbeitet auf dem Weg zum Ziel vielleicht nicht auf Hochtouren, aber er arbeitet. Und er ist es auch, der uns am Ball bleiben lässt. Dass wir den Weg weitergehen und Glück empfinden, bewirken Glücksgefühle. Unser Gehirn schüttet die entsprechenden Hormone aus, weil das Ziel näher rückt.
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Solang du nach dem Glücke jagst,
Bist du nicht reif zum Glücklichsein,
Und wäre alles Liebste dein.
Solang du um Verlornes klagst
Und Ziele hast und rastlos bist,
Weißt du noch nicht, was Friede ist.
Erst wenn du jedem Wunsch entsagst,
Nicht Ziel mehr noch Begehren kennst,
Das Glück nicht mehr mit Namen nennst,
Dann reicht dir des Geschehens Flut
Nicht mehr ans Herz, und deine Seele ruht.
(Hermann Hesse)
Häufig wissen wir, was uns gut tut, tun es aber nicht. Häufig wissen wir auch, was uns auf Dauer nicht gut tut, und tun es trotzdem.
Schöne Grüsse aus Osnabrück
Hey Rainer,
stimme dir total zu. Das Interessante daran ist, dass das Wissen überhaupt nicht ausreicht. Nur weil etwas wissen, heißt es nicht, dass wir danach handeln.