

„Was habe ich schon zu erzählen“, fragte ich mich, als ich zum ersten Mal mit neunzehn zu schreiben begann.
Was habe ich schon zu erzählen?
Biografisch hatte ich etwas anzubieten, aber ich hasste Literatur, die Autoren zur Therapie diente. Gegen das eigene Leben in Büchern habe ich nichts. Was man schreibt, dreht sich immer auch um das eigene Leben.
Doch Schreiben ist nicht meine Therapie. War es noch nie. Es will mehr als nur meine Geschichte. Manchmal tröstet mich das Schreiben, manchmal berührt es mich und manchmal haut es mir eine auf die Fresse, damit ich endlich aufwache.
Nein, Schreiben ist keine Therapie. Es will mehr als nur meine Geschichte. Es will mein Leben.
Also was habe ich schon zu erzählen?
„Bestimmt nichts Besonderes“, sagte ich mir und ließ das Schreiben wieder. Ich traf mich mit Freunden, lenkte mich ab, Hauptsache ich quälte mich nicht mit dieser blöden Frage. Eine ganze Weile funktionierte es. Doch dann kam eine neue Frage.
Wer hat denn schon was zu erzählen? Etwa jemand, der vor Krieg geflohen ist, oder jemand, der ihn miterlebt hat? Oder vielleicht jemand, der einfach genug Scheiße im Leben gefressen hat? Oder doch jemand, der viel Glück und Liebe erfahren hat?
Wer hatte schon was zu erzählen? Wirklich weiter brachte mich die Frage nicht.
Vielleicht weiß man erst, was man zu erzählen hat, wenn man anfängt, zu erzählen.
Wieder saß ich vor meinem PC. Nun war ich zwanzig. „Denk nicht an die Frage“, flüsterte die neue Stimme. „Denk nicht darüber nach, dass es niemanden interessieren könnte. Denk nicht darüber nach, dass es eigentlich scheißegal ist, was du schreibst, worüber du schreibst, für wen du schreibst. Junge, du hockst alleine in deinem verfickten Zimmer, scheiß drauf, ob du was zu erzählen hast! Schreib!“
Ich fing zu tippen an.
Nein, Schreiben ist keine Therapie. Es tröstet dich selten, gibt dir keine gut gemeinten Ratschläge, hört dir nicht zu, verarbeitet nicht deine dämliche Lebensgeschichte. Dafür ist das Schreiben nicht da. Doch wenn du weiterschreibst und irgendwann die ausgedruckten Seiten vor dir liegen, passiert es. Etwas in dir hat sich verändert. Du hast es gar nicht mitbekommen, aber du bist nicht mehr derselbe.
Das Schreiben hat alles verändert.
2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Wenn ich in ein kreatives Loch falle, helfen mir eure Artikel jedes Mal aufs Neue nicht aufzugeben.
Danke.
Hahaha dafür sind wir da!