Und bevor das Jahr um ist, sollte ich wohl darauf zurückschauen.
Ich sollte über Vorsätze nachdenken, von Fehlern lernen. Doch ehrlich gesagt ist mir nicht danach.
Vorsätze: Dinge, die uns am Ende des Jahres schlecht fühlen lassen.
Früher hatte ich die Angewohnheit, zum Neujahr Bilanz zu ziehen. Mich zu fragen, was ich gemacht habe und mir jetzt vornehme, besser zu machen. Jedes Jahr ein besseres Jahr.
Der Glaube an die eigene Selbstoptimierung.
Der Wunsch, perfekt zu sein.
Vorsätze: Gründe, für einen deprimierenden Neustart.
Beim jährlichen Bilanzieren war ich mal schlecht, mal weniger schlecht. So richtig gut war ich nie.
Ab Anfang Dezember hört man ständig die Frage, wo man feiert. Als wäre es selbstverständlich, das neue Jahr zu zelebrieren. Vielleicht wird es ja ein Scheißjahr. Das Jahr 2016 war zum Beispiel ein Scheißjahr. Trotzdem haben wir alle reingefeiert.
Wie viele hatten einen wirklichen Grund?
Vorsätze: Hoffnungen, es nicht noch mal zu verkacken.
Vielleicht sollte ich optimistischer sein. ich weiß schon. Aber irgendwie habe ich heute, am 31.12.2017, große Lust auf eine ordentliche Portion Pessimismus. Einfach mal mit schlechter Laune ins neue Jahr starten. So kann es nur besser werden. Sich selbst verarschen, um am Ende weniger enttäuscht zu sein. Kommt mir wie ein Erfolgsgeheimnis vor.
Vorsätze: Anlässe, sich wieder ernsthaft zu hassen.
Inzwischen haben wir 23:59 Uhr und die Leute um mich herum jubeln. Die Feuerwerkskörper explodieren und leuchten den Nachthimmel lila, rot, hellblau. Jemand umarmt mich. Mein Pessimismus kämpft tapfer eine verlorene Schlacht, alle sind zu gut gelaunt. Ich werde von einer Welle Optimismus überrollt und weiß, dass ich sie nicht überleben werde. Plötzlich wünsche ich jedem ein frohes Neues, motiviere die Keschmesch-Jungs über eine Audionachricht: „Nächstes Jahr rocken wir, Leute! Die Seite wird durchstarten!“
Ehe ich mich versah, bin ich zum Motivationscoach mutiert.
Vorsätze: Versprechungen, die doch bitte alle hören sollen.
Mein Vorsatz: Die Welt ein Stückchen schlechter machen.
Frohes Neues.
Massoud Doktoran ist Schriftsteller, Drehbuchautor und Essayist. Sein Debütroman “Brenn Schule! Brenn!” ist überall erhältlich. Die Literaturagentur Langenbuch&Weiss betreut seinen zweiten Roman "Der dritte Ort". Zurzeit lehrt er Drehbuchschreiben und kreatives Schreiben.
