Im berühmten Letter from Birmingham City Jail rechtfertigt King seinen Kampf. Dass es dabei um gewaltlosen Widerstand geht, ist bekannt. Weniger bekannt ist, dass King nicht auf Gewalt verzichtet, weil die Religion es gebietet, sondern weil Gewaltverzicht in seiner Philosophie der einzig effektive Weg des Widerstandes ist.
King schreibt: „Man muss nur daran festhalten, das, was ist, kritisch zu analysieren im Licht dessen, was sein soll.“ Es gilt also zunächst zu erkennen, was ist; mit anderen Worten, erst das Problem zu bestimmen. In Kings Fall war das Problem eindeutig: Farbige wurden in den USA sozial, politisch und wirtschaftlich unterdrückt. Nun betrachtet man das Problem „im Licht dessen, was sein soll.“ Man formuliert also ein Ziel. King bezeichnet sein Ziel als beloved community: eine Gemeinschaft, in der die Würde jedes Menschen anerkannt, gepriesen und respektiert wird. Nicht nur die Würde der schwarzen Bevölkerung. King kämpft – und das ist der große Unterschied zwischen ihm und dem jungen Malcolm X – nicht nur für die Befreiung der eigenen Rasse. Anders formuliert, er ist davon überzeugt, dass ein würdevolles Leben in Freiheit für seine Leute nur dann möglich ist, wenn es allen geboten wird. Menschen sind Individuen in Beziehungen, gefangen in einem Netz wechselseitiger Verbundenheit, aus dem sie nicht entrinnen können. Wie der Tropfen sich im Meer auflöst, ist ein Unrecht, sobald es in der Welt ist, ein Teil des Ganzen, es greift um sich und fällt auch auf seinen Urheber zurück. In solch einer Welt kann man Frieden nur herbeiführen, wenn man die Existenz der Gewalt an sich bekämpft.
An dieser Stelle kommt es zum entscheidenden Perspektivwechsel: Nicht die Unterdrücker sind der wahre Feind, sondern die Unterdrückung an sich. Kings Angriff richtet sich gegen die Mächte des Bösen, nicht gegen die Personen, die Böses tun. Diese seien selbst nur Opfer der bösen Mächte.
Wenn wir Unterdrückung und Gewalt bekämpfen wollen, können wir dies nur ohne Unterdrückung und Gewalt tun. „Wenn ich auf Hass mit Hass antworte,“ schreibt King, „reiße ich die Kluft in der zerrütteten Gemeinde nur weiter auf. Ich kann die Lücke nur schließen, indem ich dem Hass mit Liebe begegne.“ Kings Widerstand vermeidet folglich jegliche Gewalt, äußerliche physische, wie innere spirituelle. Der gewaltlose Kämpfer weigert sich nicht nur, seinen Gegner zu erschießen, sondern auch, ihn zu hassen. Im Kern der Gewaltlosigkeit steht das Prinzip der Liebe.
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Gut geschrieben! Hätten wir so viel Menschen wie King Jr, wäre unsere Welt schöner zum Leben!
Sehr gut geschrieben, habe morgen eine Präsentation über King Jr und er inspiriert mich so sehr.
Super Text!
Zu King, er war eine wahrhaftig starke Persönlichkeit. In dieser heutigen Zeit wird in Konfliktsituationen leider Stärke nur mit dem entgegenbringen an Gewalt gemessen, statt mit Worten. Das war nie der richtige Weg „Gewalt mit Gewalt“ und wird auch in Zukunft nicht der Weg des Friedens und des Miteinander sein. Ich bin der Überzeugung, dass das Gefühl des „Miteinanderseins“ ein Grundbedürfnis jeden Menschen ist. Starke Worte vom King.
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