Martin Luther King wird in ein paar Monaten einen Traum haben. Aber noch kann er nicht schlafen. Wie lange er schon wach ist, weiß er nicht. Nicht mal ob Tag oder Nacht ist, kann er sagen.
Es ist der 12. April 1963 und Dr. King steckt in Einzelhaft. Die dreizehnte Verhaftung innerhalb der letzten Jahre. Der gewaltlose Kämpfer fürchte sich nicht vor dem Gefängnis, hatte King mal geschrieben, wenn es sein müsse, betrete er die Zelle „wie ein Bräutigam das Brautgemach.“ Doch heute spürt er den bitteren Schmerz der Enttäuschung: Martin Luther King – Sohn, Enkel und Urenkel von Predigern – wurde von der Kirche angeklagt. Später soll er diese Stunden als die längsten, zermürbendsten und verwirrendsten seines Lebens bezeichnen. Stundenlang sitzt er still auf der Pritsche und verliert sich in Erinnerungen an seine Kindheit in Atlanta: Glühend heiße Sommertage, der Vater im weißen Hemd unter seinem schwarzen Umhang, predigend in der Kirche, deren Turmspitze für den Kleinen unendlich weit in den Himmel ragt; derselbe Vater, als er seinem Sohn erklären muss, warum die Nachbarskinder nicht mehr mit ihm spielen dürfen; hasserfüllte Polizisten, die ungestraft seine Brüder verprügeln; das erste Mal, dass sich „am Himmel ihres jungen Gemüts lastende Wolken der Minderwertigkeit bilden und ihr Wesen sich zu verkrampfen beginnt“.
Im Geiste beginnt King Sätze an seine Ankläger zu formulieren. Als er sie niederschreibt, auf den Rand von Zeitungen, Fetzen Toilettenpapier und Briefumschläge, merkt er, dass er keine Tränen mehr in den Augen hat. Es gelingt ihm, diese Briefstücke aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Acht Tage später, bei seiner Entlassung, sind bereits eine Millionen Exemplare im Umlauf. Der Brief geht um die Welt und erreicht Jahrzehnte später auch mich.
3 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Gut geschrieben! Hätten wir so viel Menschen wie King Jr, wäre unsere Welt schöner zum Leben!
Sehr gut geschrieben, habe morgen eine Präsentation über King Jr und er inspiriert mich so sehr.
Super Text!
Zu King, er war eine wahrhaftig starke Persönlichkeit. In dieser heutigen Zeit wird in Konfliktsituationen leider Stärke nur mit dem entgegenbringen an Gewalt gemessen, statt mit Worten. Das war nie der richtige Weg „Gewalt mit Gewalt“ und wird auch in Zukunft nicht der Weg des Friedens und des Miteinander sein. Ich bin der Überzeugung, dass das Gefühl des „Miteinanderseins“ ein Grundbedürfnis jeden Menschen ist. Starke Worte vom King.
Mehr von solchen Menschen!