

“Herr Legros, warum kann man faul zu Lebensmitteln und Menschen sagen?”
Als Fremdsprachenlehrer merkte Waltraud Legros schnell, wie fremd ihm die deutsche Sprache wurde, wenn die ausländischen Schüler ihn mit solchen Fragen überhäuften. Vertrautes sah er wie zum ersten Mal, Selbstverständliches wurde fragwürdig. So machte er sich auf die Suche nach den Wurzeln der Wörter. Und so entstanden die Geschichten seines Buches Was die Wörter erzählen.
Hier ein paar interessante Wörter und ihre Entstehung:
Seele – Das deutsche Wort Seele ist von See abgeleitet. Gewisse, besonders dunkle und neblige Seen galten bei den Germanen als Orte, wo sich die Menschen vor der Geburt und nach dem Tod aufhielten. Genau bedeutete das urgermanische Wort saiwa-lo, also See-le: die vom See stammende, zum See gehörende.
Porzellan – Vom Schwein über Vagina und Muschel zum Porzellan. Angefangen hat es beim lateinischen porcus, was nichts anderes bedeutet als Schwein. Die italienische Verniedlichung porcella (Schweinchen) wurde irgendwann von Italienern für das weibliche Geschlechtsorgan benutzt. Die Venezianer schließlich meinten eine Ähnlichkeit zwischen einer Vagina und einer Meeresmuschel zu erkennen (vielmehr war es eine Meeresschnecke mit weißglänzender Schale). Sie nannten die Muschel schlichtweg porcella. Als dann das erste Porzellan aus China kam, meinten die Venezianer zunächst, diese hauchzarten Gebilde seien aus zerriebenen weißen Muscheln hergestellt und nannten das Material dementsprechend porcellana – welches die deutsche Sprache dann als Porzellan übernommen hat.
Wette – Die Wette, die wir eingehen, geht auf ein gotisches Wort zurück, wadi, welches Pfand oder Einsatz bedeutete. Es bezeichnete also das, worum es ging: ein Stück Land, ein Pferd, oder…eine Frau! Ja, denn das Verb wetten bedeutete ursprünglich – und dies in allen germanischen Sprachen- verloben, heiraten, was das englische to wed (heiraten) und wedding (Hochzeit) heute noch zeigt.
meinen – Das Verb meinen kommt vom lateinischen mens (Geist) und bedeutet ursprünglich im Sinn haben. Es zielt auf die Kluft zwischen dem, was man ausdrücken kann und dem, was man ausdrücken will. („Es war nicht so gemeint.“) Und es ist wohl kein Zufall, dass das Wort meinen in seiner mittelhochdeutschen Form von minnen die Bedeutung von lieben hatte. Gerade Liebe kann nicht gesagt, kann nur gemeint werden, das wussten wohl vor allem die, die sie auszudrücken versuchten, die Dichter und Minnesänger, denn sie benutzten meinen noch lange Zeit im Sinne von lieben.
mutterseelenallein – Gibt es ein anderes Wort, das die Einsamkeit intensiver ausdrückt? Verlassen, sogar von der Seele der Mutter. Nur: daher kommt das Wort nicht. Am Anfang war das französische moi tout sel (ich ganz allein). Nach dem Lautbild eingedeutscht ergab das bei uns zunächst mutterseel. Ein schönes Wort zwar, nur der Sinn hat gefehlt. Man fügte ihn also hinzu und schuf das schöne deutsche mutterseelenallein.
Mehr Wortgeschichten findet Ihr in Waltraud Legros Buch Was die Wörter erzählen.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Toller Text lieber Babak, danke dafür! Aber Waltraud ist eine Frau oder? 😉